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Das begeisternde grüne Herz Frankreichs 

Die Dordogne hinter uns lassend sind wir weiter Richtung Westen gezogen. Nimmt man sich die Karte Frankreichs einmal topografisch vor, sticht einem ziemlich in der Mitte ein weitflächig zerklüfteter grüner Kegel ins Auge, mit dem ich mich bei der Routenfindung etwas näher beschäftigte. Schnell fand ich heraus, dass es sich um eine Kraterlandschaft besonderen Ausmaßes, mit bis zu 1800 Meter hohen Bergen handelte, die Auvergne hieß. 

Das grüne Herz Frankreichs die Auvergne

Bisher kannte ich eigentlich die Auvergne nur aus den Asterix-Comics, wo es hauptsächlich neben der Suche nach dem Avernerschild ums deftige Essen geht. Die Kombi erschien vielversprechend – gutes Essen, tolle Berge. Also suchten wir einen Campingplatz inmitten des grünen Kegels. Die Entscheidung viel auf den Campingplatz der Gemeinde Le Claux, ein Bergbauerndörfchen in der Nähe des Puy de Mary, der höchsten Erhebung der Auvergne.

Inmitten von Kühen, grünen Weiden und geernteten Getreidefeldern landeten wir in einer fast vergessenen Welt, wo es schien, die Zeit sei stehengeblieben. Nur die ortsansässige Paraglide-Schule mit einer Bar brachte etwas frische Luft in das verschlafene Örtchen Le Claux. Ebenso aus einer anderen Zeit waren die Preise des Campingplatzes. Wir zahlten für drei Nächte bei der Gemeinde unfassbare 22,30 Euro! Und alles war tippi-toppi.

Natürlich nahmen wir uns zwei schöne Wanderungen vor. Jano war bestens motiviert und stiefelte gleich  am ersten Tag trotz recht warmer Temperaturen mit Traumwetter auf den 1783 Meter hohen Puy Mary unter Anfeuerung anderer Wanderer hinauf. Tolle Ausblicke vom ehemaligen Vulkan in alle Richtungen warteten auf uns. Geschafft aber glücklich kehrten wir am Ende auf einer schönen Bergalm ein. Auch die zweite Wanderung führte uns in die Höhen der Auvergne. Von der Passhöhe Col de Serre wanderten wir einen Rundweg über ausgedehnte Kuhweiden und genossen ein schönes Picknick in der satten Blumenpracht der Bergwiesen. 

Puy Mary mit seinen 1783 Metern
Ansturm auf den Puy Mary
Grinsebacke oberhalb vom Col de Serre
Picknick in der Blumenwiese

Die Ursprünglichkeit und die Unbekanntheit macht den Reiz dieser Region Frankreichs aus. Es ist tatsächlich ‚Le coeur vert‘ – das grüne Herz Frankreichs, das wir doch als einen speziellen Ort unserer Reise in Erinnerung behalten werden.

Janos Wanderabenteuer im Valdeon-Tal

Für kurze Zeit haben wir dem Atlantik ‚hasta luego‘ gesagt und ein dreitägiges Schönwetterfenster genutzt, um in die ‚Picos de Europa‘ zu fahren. Das Gebirge, das bis 2.700 Meter hohe Berge hat, liegt zwischen Asturien und Kantabrien nur 40 km von der Küste entfernt. Ebenso spektakulär wie die Anfahrt über kurvenreiche Pässe sind die Eindrücke, die die Picos zu bieten haben.

Wir hatten uns für das abgeschiedene Valdeon-Tal entschieden, um in den nächsten Tagen zwei Wanderungen mit Jano zu unternehmen. Zunächst wollten wir in eine der faszinierendsten Bergschluchten, die erschlossen sind, in die Cares-Schlucht hinein- und wieder hinauswandern. Am zweiten Tag hatten wir einen eher unbekannten Berggipfel im Visier. Auf dem Peña Gabanceda sollte Jano seinen ersten 2.000er stehen.

Bei der Planung war klar, dass beide Touren schon respektable Umfänge haben. Zwar war der Weg in die Cares-Schlucht eher eine Wanderautobahn, doch die Strecke, die wir veranschlagt hatten bis zur Mitte des Canyon und wieder zurück zum Ausgangspunkt nach Cain, belief sich auf über 12 km. Zwar hatte ich als ‚Notnagel‘ immer die Kraxe dabei, aber mit alles in allem 22 kg auf dem Rücken wandert es sich auch nur eine begrenzte Strecke. Glücklicherweise möchte unser ‚kleiner Mann‘ immer „selbst laufen“, so wie Jano es immer ausdrückt. Nur in Situationen, in den er wirklich müde ist, lässt er sich auch tragen. So kam es, dass er die Cares-Schlucht bis auf schlappe zwei Kilometer selbst erwanderte. Wir waren absolut baff, welche Energie in unserem Kind steckt.

Spektakuläre Einschnitte in die Cares-Schlucht
Durch die spannenden Tunnel mit Mama
Traumhafte Ansichten in den Canyon
Geschafft! Stolz wie Oskar nach der Wanderung.

Wer aber gedacht hatte, dass Jano am nächsten Tag müde und jammernd keinen Bock auf wandern hatte, der täuschte sich gewaltig. Für ihn war klar, er wollte ein Picknick auf dem Gipfel des Peña Gabanceda machen. Und so ging es los. Vor uns lag eine mit 6 km vergleichsweise kurze Wanderung, jedoch mussten wir knackige 450 Höhenmeter zurücklegen.  Eine ganz schöne Herausforderung für unseren dreijährigen Gipfelstürmer

Wir waren keinen Kilometer unterwegs, schon begegneten wir der ersten Überraschung. Eine aufgeschreckte nicht gerade kleine grüne Schlange machte sich auf und davon. Eine knapp ein Meter lange, später gegooglte ‚Europäische Eidechsennatter‘ hatte unseren Weg gekreuzt. Fraglich ist, wer sich mehr erschreckt hatte. 

Nachdem wir die letzten ursprünglichen knorrigen und kleinblättrigen Buchenwälder hinter uns gelassen hatten, öffneten sich unbewirtschaftete Bergwiesen mit einer selten so schön erlebten Blumenpracht. Wir ließen diese hinter uns und auf den letzten 100 Höhenmetern vor dem Gipfel wartete noch ein steiler Anstieg über Schotter und Schutt. Hier nahm ich, auch etwas unter Protest, Jano in die Kraxe, weil mir das Terrain zu gefährlich erschien. Zwar musste ich ordentlich schwitzen, aber am Gipfel angekommen, die letzten Meter durfte Jano natürlich selbst laufen, entschädigte die Aussicht und dass leckere Picknick uns für alle Mühen. Jano war auf dem Peña Gabanceda der allerstolzeste Gipfelstürmer.

Top motiviert beim Aufstieg durch die Buchenwälder
Traumhafte Bergkulisse ins Valdeon-Tal
Gipfelglück mit Picknick
Auf dem Weg zurück vom Gipfel
Glücklich zurück am Nugget

Galicien ist nun Camperland

Unser Entschluss war gefasst. Wir wollten dem Regen Portugals entkommen. Eigentlich verfolgte uns das nasse Wetter seit Sardinien. Nur war die Frage, wo regnete es derzeit nicht? Als hätten sich alle Vorzeichen gedreht, war es der meteorologisch nasseste und windigste Fleck Spaniens, der derzeit mit schönen Wetter aufwarten ließ. 

Galicien mit ‚c‘ – den nordwestlichsten Zipfel Spaniens steuerten wir an. Für mich eine Reise in meine Vergangenheit. Hier strandete ich erstmals vor fast genau 20 Jahren im September 2003 auf einem Surftrip entlang der spanischen Küste. Ab Gijon mussten wir uns über 300 km Landstraße mit einer Durchschnittgeschwindigkeit von 50 km/h durchkämpfen. Die immer noch unter Bikern und Surfern bekannte Küstenstraße Nordspaniens N-634 führte durch jedes Städtchen und man klebte permanent hinter spanischen LKWs. 

Nach dieser Tortour erwarteten uns traumhafte Surfstrände in fast unberührter Natur. Außer ein paar Hippies und Surfdudes war niemand auf die Idee gekommen, an das infrastrukturell vergessene Ende Europas zu reisen. Lediglich war der Umgang mit den Surflocals nicht einfach, die gegenüber angereisten Surfern eine gesunde Grundagressivität an den Tag legten.  

Damals steuerte ich mit Björn, einem Surfkumpel, Pantin an. Eine Bucht, die zwischen Ferrol und Cedeira liegt, in der Surfbibel ‚Stormrider Guide‘ als eine der besten Surfspots Galiciens beschrieben. Wir standen mit meiner antiken „Transe“ einen alten Ford-Transit-Ausbau mehrere Tage mit vielleicht zwei, drei anderen Surfern auf dem Parkplatz und hatten einige wirklich gute Sessions. 

Auch suchten wir an der Küste nach weiteren Stränden und Surfspots was sich aber ausschließlich mit Kartenmaterial extrem schwierig gestaltete. Wir fanden einfach die Zufahrtswege nicht oder riskierten einen Achsbruch beim Befahren der Trampelpfade.  Da es außerhalb von Ferrol keine Supermärkte gab, holten wir Brot, Gemüse, Milch und Käse von den Bauern. 

Unser ‚Stellplatz‘ an der Bucht von Pantin

Genau in diese Ecke des damals vergessenen Spaniens waren wir aufgebrochen. Keine drei Stunden benötigten wir, um aus Porto an diesen einst verlassenen Ort zu kommen. Perfekt ausgebaute Straßen und eine breite Autobahn haben den Zugang in diese Ecke Spaniens komfortabel gemacht.  Ich hatte einen Campingplatz in der Bucht neben Pantin in Valdovino angepeilt. Und erstmals auf unserer Reise wurden wir an einem Campingplatz abgewiesen, da dieser komplett belegt war. Ich fasste es nicht. Was war denn in Galicien passiert? Wir fassten den Entschluss, frei zu stehen und genau dort zu übernachten, wo ich bereits 20 Jahre zuvor gestanden war. Nur waren dort nicht mehr zwei bis drei Camper sondern 20 bis 30! Es stand auf dem Parkplatz über der Bucht eine bunte Mischung aus deutschen Möchtegern Surferfreaks, Ducatowohlfühlausbaucampern und einigen digital Nomads, die aus ihrem Camper arbeiten.   

Unbebaute Sandbuchten in Galicien

Zwar hatte ich mir bereits gedacht, dass Galicien immer stärker auf die Agenda der alternativ Reisenden steht, doch dass dies in diesem Maße geschehen ist, rückte mit erst jetzt ins Bewusstsein. Am nächsten Tag hatten wir dann auf dem avisierten Campingplatz auch mehr Glück und quartierten uns dort bei Sonnenschein gleich für fünf Tage ein. So hatte ich die Möglichkeit mehrere Strände von damals wiederzusehen und dort nochmals mit einem Brett ins Wasser zu springen und die ein oder andere Welle zu surfen. Auch wenn die letzte Ecke inzwischen stark in den touristischen Fokus gerückt ist, sie hat wenig von ihrem Charme verloren, zumal die Sonnenuntergänge immer noch bombastisch sind.

Abgefahren!

Roadtrip durch Spanien entlang des Dueros

Nach unserer 14-stündigen Überfahrt von Sardinen nach Barcelona haben wir uns noch am selben Tag aufgemacht, Spanien von Osten nach Westen zu durchqueren. Etwas gezeichnet von unserer doch recht unruhigen Nacht auf der Fähre der Grimaldi-Lines legten wir zunächst ca. 400 km zurück und steuerten einen Campingplatz mitten im Nirgendwo Spaniens an.  Ein Ort westlich von Zaragossa namens Moncayo sollte uns für eine Nacht beherbergen. 

Für uns absolutes Neuland, auch was die Eindrücke anbetraf. Das gesamte Land war unfassbar trocken. Grün waren eigentlich nur die bewässerten Gemüse- und Getreidefelder. Sonst konnte von Vegetation eigentlich keine Rede mehr sein. Wir hatten zwar bereits einiges aus Artikeln über die Regenarmut in Südeuropa gelesen, doch nun sahen wir die Probleme mit eigenen Augen.  Viel geht einem hier durch den Kopf. Angefangen vom Klimawechsel bis hin zu seinem eigenen Konsumverhalten und dessen Auswirkungen. 

Auf dem Weg Richtung Duero

Vielleicht lässt man solche Orte auch schnell hinter sich, um sich erst gar nicht intensiver mit allen daraus resultierenden Fragen an sich selbst auseinandersetzen zu müssen und sucht nach den schönen Ecken auf unserem Kontinent. Und so brachen wir schnell am nächsten Tag mit dem Ziel Salamanca auf, einer prosperierenden historischen Studentenstadt 100 km von der Grenze Portugals entfernt. Die Route führte uns entlang des Flusses Duero, der sich durch den mittleren Westen Spaniens und Portugals bis zur Mündung in den Atlantik regelrecht schneidet. 

Ribeira Del Duero mit seinen Bodegas

Im Ribeira del Duero mit seinen bekannten Weinen hatten wir dann auch die Trockenheit Kataloniens zurück gelassen. Alles wirkte grüner auch wenn hier ohne Bewässerung der intensiv genutzten Felder ebenfalls kaum Ackerbau möglich wäre. Weiter ging es am Flusslauf, der die Lebensader das mittleren Westen Spaniens schon seit jeher gewesen ist, nach Valladolid, wo wir dann den Duero in Richtung Süden nach Salamanca verließen. 


Mit zwei Nächten Aufenthalt nutzen wir den Stopp für die Besichtigung der historischen Stadt mit ihrer zum UNESCO-Kulturerbe gehörenden Kathedrale. Zudem drehte ich mit dem Mountainbike eine größere Runde um die Stadt mit tollen Eindrücken und Ausblicken. Trotz des hohen Nutzungsgrades des Umlandes hatten wir erstmals wieder den Eindruck, dass etwas Platz für die Natur geblieben ist. Diese zeigte hier von einer bewundernswerten Seite mit vielen verschiedenen Vögeln und einer abwechslungsreichen Vegetation. Vor allem Störche mit Nachwuchs in Nestern auf Kirchtürmen, Hochstannungsleitungsmasten oder abgestorbenen Bäumen beeindruckten uns immer wieder. 

Ausblick auf Felder um Salamanca

Dies sollte sich nach unserer Abreise aus Salamanca in die Region Arribes del Duero  potenzieren. Unser nächstes Ziel Richtung Atlantik war ein kleiner Nationalpark an der spanisch-portugiesischen Grenze, die der Duero zeichnet. Sie ist geprägt durch eine vom Flusslauf 300 Meter eingeschnittene Schlucht.  Zur Elektrizitätsgewinnung ist der Duero dort auf mehreren Stufen angestaut. Trotz des nicht unbeträchtlichen Eingriffs in die Natur hat sich in dieser Region eine  bemerkenswerte Flora und Fauna bewahrt. 

Größte Staustufe in der Duero-Schlucht

Auf den vielzähligen Blüten der Trockenwiesen finden sich sich zum Teil bizarre Insekten ein. In den mit Bartflechten überzogenen Steineichen brüten unzählige Vögel, von denen wir einige noch nie gesehen haben. Vögel, die wir bislang nur aus Bestimmungsbüchern kennen, wie beispielsweise den Wiedehopf, sagen uns jeden morgen ‚hallo‘. 

Blick in den Abgrund

Am eindrücklichsten sind jedoch eine unglaubliche Anzahl an Gänsegeiern, die über den tief abstürzenden Felsabhängen kreisen und auf kleinen Felsvorsprüngen ihre Brut aufziehen. So nutzen mehr als 30 dieser Aasfresser mit einer Spannweite über 2,50 Meter bei unserem Ausblick in die Schlucht die Thermik, um Nahrung für ihren Nachwuchs zu sichten. 

Gänsegeier hält Ausschau

Wir sind begeistert und beeindruckt von dieser Ecke Spaniens, die uns ein weiteres Mal in Europa so viel faszinierende Natur bietet und sind gespannt wie es in Richtung Atlantik weiter geht.

Allen sardischen Kapriolen zum Trotz

Sardinien – eine spezielle Insel von der wir sehr viel Positives gehört haben, aber noch nie da gewesen sind. Mit einem gewissen Maß an Spannung vor neuen Eindrücken und der Hoffnung auf den großen Ausbruch sommerlicher Temperaturen begannen wir unser sardisches Abendteuer im Norden der Insel. Weiter sollte es Richtung Osten in den Nationalpark des ‚Golfos di Orosei‘ gehen, um am Ende unserer zweiwöchigen Erkundungstour noch den Westen mit den beiden Städten Bosa und Alghero kennen zu lernen.

Die Reiseroute war gut ausgearbeitet, also was konnte schon dazwischen kommen? So dachten wir. Die Insel empfing uns im Nordwesten mit sonnigen 22 Grad an einem Traumstrand mit dem Namen ‚Spiaggia la Licca‘ und ordentlichen Wellen von einem Meter Höhe. Bereits in diesem Moment war ich etwas baff, dass es im Mai eine solch surfbare Brandung im Mittelmeer geben kann. Eigentlich hatte ich eher mit babypopohafter Glattwasserkräuselung gerechnet. 

Das sardische Wetter hatte aber nur kurz Servus gesagt und drehte am nächsten Tag so richtig auf. Schon in der Nacht rüttelte es ordentlich an unserem ausgeklappten Hochdach. Hektisch war ich um drei Uhr rausgesprungen, um unsere Stühle und den Tisch vor den Windböen in Sicherheit zu bringen. Am nächsten Morgen hatte sich das sardische Gebläse eingepegelt. Durchgängige sechs Windstärken ballerten uns aus Westen ins Gesicht. Aus reiner Neugierde schauten wir nochmals am ‚Spiaggia la Licca‘ vorbei. Die Gischt schäumte, Wellen von fast drei Metern begannen bereits etwa 100 Meter vor dem Strand zu brechen. Die tosende Dünung faszinierte, hinterließ bei uns aber auch ein Kopfschütteln. Mit so etwas hatten wir nicht gerechnet. Also ab an die Ostküste, zumal der Wetterbericht die nächsten zwei Tage keine Windbesserung versprach. 

Spiaggia la Licca schäumt im Mai

Aber auch an der Costa Smeralda war dem Wind kaum zu entkommen. Alles festgetackert und -gezurrt versuchten wir aus den gegebenen Umständen noch das beste zu machen. Nach zwei Tagen Dauergebläse schienen bei allen die Nerven blank zu liegen.  Gelinde gesagt, wir hatten vom sardischen Wind die Schautze gestrichen voll. 

Meltdown am Traumspiaggia

Auch Jano hat auf unserer Reise, die inzwischen fünf Wochen andauert, gewisse Eigenheiten für sich entdeckt.  Ob, ich will bei jedem Essen die ersten fünf Minuten einen leeren Teller behalten und wehe wenn jemand einen Krümel auf den Teller fallen lässt, bis hin zu ich will nach 20 Minuten baden noch nicht aus dem 19 Grad kalten Meer trotz blauer Lippen und Zitterattacken Heulbojen-Meltdown am sardischen Traumspiaggia. Nebenbei gesagt, verzweifelt mediumentspannte Elternzeiteltern gibt es auf Sardinien zuhauf.

‚Ich habe mir da einmal etwas überlegt‘ – Ciao!

So nahmen wir auch nahe Cala Galone den knöcheltiefen Schlamm auf unserem Ecoturismo-Campingplatz nach 24 Stunden Dauerregen, kurz nachdem die Windhölle abgeklungen war, äußerst halbentspannt hin. Und was ein Wunder, die nächsten drei Tage präsentierte sich der Nationalpark von seiner schönsten Seite. Obwohl, einmal wurden wir auf einer traumhaften Wanderung beim Schlussaufstieg nochmals mit einem ordentlichen Schauer belohnt. Ach ja, die Wettervorhersage für unsere letzten vier Tage auf Sardinien ist eher durchwachsen.

Dennoch ist Sardinen ein Traum. Wir kommen wieder, versprochen! 

Nervenkitzel beim Küstenspektakel

Unsere Weiterfahrt an der Westküste von Korsika aus dem Fischerörtchen Galeria hat uns entlang der Küste auf eine der vielleicht spektakulärsten Routen der ,Ile de Beauté‘ nach Porto geführt. Zunächst führte unsere Route ins Hinterland und dann über einen Pass, auf dessen höchstem Punkt sich der Blick auf das tiefblaue Mittelmeer auftat. Die D70 schlängelte sich um bizarre Felsformationen, nah am Abgrund, kilometerlang bergauf, bergab an einem imposanten Küstenstreifen entlang.  

Immer wieder passierten wir Engstellen, die gerade so Platz für einen mittelgroßen Transporter ließen. Links überhängender Fels, rechts 200 Meter freier Fall, der wenn es gut läuft, von einem kniehohen Mäuerchen verhindert werden soll. Ausweichmanöver oder Zurücksetzen sind auf solchen Pisten nicht zu vermeiden. 

Blick auf die D81 südlich von Porto


Auch für einen langjährig alpengestählten Pass- und Serpentinenfahrer, sind diese Straßenwindungen mit einem zwei Meter breiten und samt Heckbox sechs Meter langem Camper eine andere Hausnummer. Das zentimetergenaue vorbeizirkeln am Gegenverkehr mit dem Beifahrerspiegelbilck in den Abgrund ist schon gewöhnungsbedürftig und erfordert ein recht ordentliches Nervenkostüm.

Wer glaubt, der Gegenverkehr wäre das einzige Hindernis, der irrt. Gerne machen sich auch Ziegen, Kühe oder Schweine auf den Straßen breit, die ungläubig glotzen, warum man ausgerechnet jetzt hier vorbei muss. Währenddessen der Fahrer schwitzt und kämpft, können die passiven Insassen, wenn ihnen nicht übel ist oder sich Panik breitmacht, eine grandiose Naturkulisse genießen.

Die D84 führt durch die de la Ruda Schlucht mitten durch

Eigentlich sind mehr oder weniger alle Straßen im Westen Korsikas in diesem Stil angelegt. Aufgrund der Topographie sind sie schon fast straßenbauerische Kunstwerke, aber auf jeden Fall Meisterleistungen. Auch unser Ausflug Richtung Piana oder meine Radtour einen Pass hinauf nach Evisa führten an hunderten von Meter hohen Klippen oder Schluchten entlang, inklusive einzigartiger Ein- und Ausblicke. 

Alle Anstrengung lohnt sich

Auf unserer Weltreise haben wir die Erfahrung gemacht, dass Reisen verdammt anstrengend sein kann. Es ist eine Frage der Haltung, dies zu akzeptieren, weil man ja hofft, dass es sich irgendwann wieder auszahlt. Und das ist der große Unterschied zu einem Urlaub. Hier möchte sich niemand leisten, einige beschissene Tage in Kauf zu nehmen. Sobald man aus dem Urlaub zurück kommt, geht es ja weiter wie immer. Also wird bei einer Urlaubsplanung versucht, möglichst alle bösen Überraschungen durch die monetäre Eliminierung von Transaktionskosten auszuschließen. Oder, ich zahle lieber etwas mehr und kann dann ohne große Aufregung abchillen. Diese Taktik geht beim Reisen auf Dauer einfach nicht auf. Spontanität und Frustrationstoleranz sind hier die besseren Begleiter. Vor allem, wenn noch ein ‚kleiner Mann‘ mit an Bord ist.   

Soweit in der Theorie!

In der Praxis haben wir uns nach der Abreise vom Lago Maggiore wirklich nach Korsika gekämpft, einen Tag hinter einer Tennishalle, den anderen hinter einer Tabakbar an einer Fernstraße gepennt, und uns dreimal spontan umentschieden, wohin es auf der Insel geht. Zwischen unserer Nacht hinter der Tennishalle nahe Parma und einer Tabakbar im Osten Korsikas haben wir zwei Stunden auf die Fähreinschiffung gewartet und danach auf dieser fünf Stunden abgegammelt.


Daraufhin stellten wir nach einer Stunde Fahrt von Bastia in den Südosten Korsikas um 20.30 Uhr fest, dass der anvisierte Campingplatz geschlossen war. Nach zwei weiteren vergeblichen Versuchen auf anderen Plätzen, fragten wir verzweifelt an der Hauptstraße in einer Tabakbar nach, wo wir mit unserem 3-jährigen Sohn noch übernachten könnten. Dankenswerterweise erlaubten uns die Besitzer, unseren Camper hinter ihre Tabakbar zum Schlafen zu stellen. Wir waren einfach nur froh, dass wir unser Aufstelldach hochklappen und pennen konnten.

Ziemlich fertig, ungewaschen und seit 48 Stunden ohne richtige warme Mahlzeit wachten wir am Mittwoch wieder auf. Für uns ist es ein absolutes Phänomen, wie Jano dabei immer positiv geblieben ist und trotz aller Strapazen Spaß an so vielen Kleinigkeiten finden konnte. Wie wir von einem so ‚kleinen Mann‘ soviel für uns lernen können…

 Ich hatte in der Nacht noch recherchiert, welche Optionen es zum ‚Erholen‘ für uns nun gibt und wie wir Korsika nun bereisen wollen. So sagten wir dem Osten sofort ‚au revoir‘ und steuerten einen Platz auf einem Bauernhof im Westen an. 

L‘Ernaghju, so der Name des Hofes, war für uns im ersten Augenblick klar, ist etwas besonderes. Die Gastgeberin Stephanie hat dem Hof mit vielen eigens angefertigten Kleinigkeiten eine besondere Note gegeben. Jano hat sofort allen Tieren ‚hallo‘ gesagt und war beschäftigt.


Auch der nahe gelegene Strand von Ostriconi ist eine Wucht. 


Den Abend ließen wir mit Sonnenuntergang beim Abendessen, es gab grünes Spargelrisotto, ausklingen.


Ja, es lohnt sich immer wieder! 

Neues Abenteuer – neue Herausforderungen

Seit unserer Weltreise vor sechs Jahren hat sich viel getan. Ja, nach unserer Verlobung auf der letzten Destination Providencia, einer einsamen kolumbianischen Karibikinsel, von der wir aus besagtem Grund nicht mehr berichtet hatten, passierte uns (abgesehen von unserer Hochzeit) das größte Glück, das wir uns vorstellen konnten. Vor fast genau drei Jahren trat Jano in den Mittelpunkt unseres Lebens. Und der ‚kleine Mann‘ hat dieses ganz schön aufgemischt. Trotz allen Schlafentzugs, Problemen mit der Kinderbetreuung sowie den ganzen Fails beim punktgenauen Timing des Überstülpens der Socke über Janos linken Fuß und der damit verbundenen Meltdowns, hat uns die Idee, mit Jano eine größere Reise zu machen, nie losgelassen.

Bereit zum Abenteuer

Nachdem uns Corona in die Quere kam, und Pläne, mit Jano für einen Campingtrip nochmals nach West-Australien zu fliegen, verworfen wurden, überlegten wir, was sich überhaupt noch realisieren ließe. Und schlussendlich bot sich die Chance, vor Janos Übergang in die Kita, noch einmal gemeinsam Elternzeit zu nehmen. Für 15 Wochen sind wir nun mit unserem Campervan im Süden Europas unterwegs.

Erster Lago-Check

Unser Aufbruch ins neue Abenteuer ist nun der 13. April gewesen, nachdem wir Ostern bei Oma und Opa mit Janos beiden Cousins, Tante und Onkel im Schwarzwald verbracht hatten. Nach gut sechs Stunden sind wir an unserem ersten Zielort Maccagno am Lago Maggiore angekommen. Auf einem netten Campingplatz, wie nicht anders zu erwarten, fest in deutscher Hand, machte sich unser ‚kleiner Mann‘ auch gleich auf Erkundungstour. Recht schnell fand er sich in unserem neuen Zuhause zurecht und nach dem schwäbischen Nationalgericht ‚Linsen mit Spätzle‘, das Oma noch für uns gekocht hatte, ging’s ab unters Dach ins Bettchen.

Gute Nacht!